Stellungnahme Doel
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Abgeordneten des Bezirks Aachen der FDP Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen und der FDP Bundestagsfraktion haben sich stets kritisch zu den Laufzeitverlängerungen der an der Grenze liegenden Atomkraftwerke in Belgien geäußert. Soweit sie Mitglieder des StädteRegionstages der StädteRegion Aachen sind, haben sie in ihrer Fraktion für die Unterzeichnung der gemeinsamen fraktionsübergreifenden Stellungnahme gestimmt.
Der EuGH hat in seinem Urteil vom 29.07.2019 entschieden (Az.: C-411/17), dass eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung und die Beteiligung der Öffentlichkeit notwendige Voraussetzungen für eine Laufzeitverlängerung sind.
Die Bürgerinnen und Bürger der Region Aachen und auch wir, die Unterzeichner, haben in den letzten Jahren immer auf die unzureichende Sicherheit der Atomkraftwerke hingewiesen. Zwischenfälle, die eine Abschaltung zur Folge hatten, haben nicht zu einer Vertrauensbildung geführt, sondern eher das Gefühl der Unsicherheit bei den Bürgerinnen und Bürgern verstärkt.
Sowohl von dem Kernkraftwerk Tihange als auch von Doel sind in der Vergangenheit mehrfache Zwischenfälle bekannt geworden, die – insbesondere durch eine verspätete Informationspolitik – zu einem Gefühl der Unsicherheit in der Bevölkerung geführt haben.
In einem Umkreis von 75 km leben etwa 9 Millionen Menschen, die bei einem Störfall unmittelbar betroffen wären. Die tatsächlich betroffene Anzahl der mittelbar betroffenen Menschen ist hingegen weit höher.
Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat entschieden, dass die Wiederinbetriebnahme und umfangreiche Modernisierung der Kraftwerke in Doel ein Gesamtprojekt bilden, das hinsichtlich möglicher Umweltgefahren für die betroffenen Gebiete wie eine Erstinbetriebnahme zu behandeln ist. Deshalb hätte vor Erlass des Gesetzes über die Laufzeitverlängerung zwingend eine Prüfung in Bezug auf die Umweltauswirkungen gemäß der UVP-Richtlinie vorgenommen werden müssen. Die Nähe zur belgisch-niederländischen Grenze hätte sogar ein grenzüberschreitendes Prüfungsverfahren erfordert. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei nur dann entbehrlich, wenn eine Gefahr für die Stromversorgungssicherheit bestehe und dem betreffenden Projekt mit Blick auf die Einhaltung der UVP-Richtlinie erhebliche Dringlichkeit zukomme. Dies sei hier nicht anzunehmen, so der EuGH.
Das Kernkraftprojekt hätte außerdem auch noch nach der Habitatrichtlinie auf seine Verträglichkeit mit den betroffenen geschützten Gebieten überprüft werden müssen und hätte bei festgestellter Unverträglichkeit nur zur Abwendung einer tatsächlichen und schwerwiegenden Gefahr der Unterbrechung der Stromversorgung gerechtfertigt werden können.
Der EuGH hat außerdem darauf hingewiesen, dass die zur Legalisierung durchgeführte Prüfung nicht nur die künftigen Umweltauswirkungen des Projekts, sondern auch die seit der Durchführung des Projekts eingetretenen Umweltauswirkungen berücksichtigen müssen.
All dies ist nicht geschehen (!), obwohl, worauf wir ausdrücklich hinweisen, die Ursache vieler sicherheitsrelevanter Ereignisse und Störfälle auf Alterungsprozesse der Anlagen zurückzuführen sind. Damit handelt es sich – unserer Meinung nach – um ein generelles Problem der Anlagen. Dies kann dann aber nur zur Folge haben, dass keine Laufzeitverlängerung genehmigt wird!
In Hinblick auf einen gemeinsamen grenzüberschreitenden Katastrophenschutz sind zudem die betroffenen Staaten in unserer Grenzregion noch nicht wirklich weiter, was zu weiteren Bedenken Anlass gibt.
Durch viele Gespräche mit den Menschen in unserer Region, seien sie aus Deutschland, den Niederlanden oder Ostbelgien, wissen wir, dass diese sich in einem permanenten Gefühl der Unsicherheit befinden.
Wir fordern Sie daher auf, die bereits erfolgte Laufzeitverlängerung der Reaktoren Doel 1 und 2 unverzüglich zu beenden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Werner Pfeil
Markus Herbrand
Claudia Cormann
Katharina Willkomm
Stefan Lenzen